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Zuspitzung in zwei stellvertretenden Meinungen
2. November 2011, 18:03
Filed under: politik

Zum griechischen Referendum und der Eurorettung gibt es zwei Texte, die eindrücklich die Spannungen darstellen, die sich zwischen den verschiedenen politischen Denkweisen erheben.

Frank Schirrmacher freut sich in der FAZ darüber, dass mit dem Referendum ein demokratisches Basisinstrument zum Einsatz kommt:

Es wird immer klarer, dass das, was Europa im Augenblick erlebt, keine Episode ist, sondern ein Machtkampf zwischen dem Primat des Ökonomischen und dem Primat des Politischen. [..] Sieht man denn nicht, dass wir jetzt Ratingagenturen, Analysten oder irgendwelchen Bankenverbänden die Bewertung demokratischer Prozesse überlassen? Sie alle wurden in den letzten 24 Stunden befragt und bestürmt, als hätten sie irgendwas dazu zu sagen, dass die Griechen über ihre Zukunft selbst abstimmen wollen.

Michael Spreng pflegt in seinem Blog Sprengsatz hingegen genau jenen Pragmatismus, den Schirrmacher als „Primat des Ökonomischen“ geißelt:

Was aber ist mit den Finanzhilfen für Griechenland, was ist mit der nächsten Acht-Milliarden-Tranche? Sie dürfte streng genommen nicht ausgezahlt werden, denn möglicherweise fällt in wenigen Wochen die Geschäftsgrundlage dafür weg. Denn die Zusagen der griechischen Regierung und die Parlamentsbeschlüsse sind nichts mehr wert, wenn das Volk Nein sagt.

Der griechische Regierungschef Papandreou hat sie sich die Finanzhilfen erschlichen, denn er wusste beim Brüsseler Gipfel schon, dass er ein Referendum plant. […] Würden aber die acht Milliarden nicht ausgezahlt, hätte sich das Referendum weitgehehend erledigt, denn dann würde das Land schon in diesem Monat im Chaos versinken. Die Regierungschefs der Eurozone stehen vor einem Dilemma: was sie jetzt auch machen, ist falsch. Also werden sie weiter zahlen in der Hoffnung, das griechische Volk werde ein Einsehen haben. Und wenn nicht?

Auf Schirrmacher hat Spreng dabei eine klare Antwort:

Im Übrigen: Die jetzt in Deutschland unter Intellektuellen geführte demokratietheoretische Debatte über Volksabstimmungen ist zwar ehrenwert, aber angesichts dier Bedrohungslage naiv und müßig. Denn kein europäisches oder anderes Volk der Welt hat den Griechen ein so weitreichendes Mandat erteilt.

„Die Griechen“ mögen finanzpolitische Fehler gemacht haben – das labile System, in dem ihre Entscheidung derart weitreichende Konsequenzen haben kann, haben sie nicht verschuldet. Aus den finanziellen Verstrickungen nun ein „Mandat“ abzuleiten ist pervers.


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