partikelfernsteuerung


Raubkopierer sind Steuerzahler

Auf der Medienwoche Berlin-Brandenburg haben gestern Vertreter der deutschen Filmindustrie, namentlich Martin Moszkowicz, Vorstand von Constantin Film, eine härtere Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen gefordert. Dazu sei eine längere Speicherung der Abrechnungsdaten nötig, um Internetnutzer ausfindig machen zu können. Auch Internetsperren wurden auf der Veranstaltung gefordert. Rechtsmittel, die vom Staat zur Verfolgung von Kapitalverbrechen eingerichtet wurden, sollen auch gegen Filesharer zur Verfügung stehen, die untereinander Musik und Filme austauschen – wohlgemerkt ohne Profit. weiterlesen…



Preisfrage: Wen schützt das Grundgesetz vor wem?
2. August 2009, 19:10
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Udo Vetter bringt in einem besonnenen Wort zum Sonntag die Sache mit den Grundrechten nochmal auf den Punkt. Denn das Grundgesetz ist ein Abwehrrecht der Bürger gegen den Staat, wie in wohl jeder juristischen Einführungsvorlesung zu erfahren ist. Vetter legt ausführlich dar, wie insbesondere im Streit um die Internetsperren dieser Mechanismus ad absurdum geführt wird:

Frau von der Leyen münzt das Abwehrrecht gegen den Staat in einen Handlungsauftrag des Staates um. Plötzlich ist die Menschenwürde ein Grund für staatliches Eingreifen – der Staat schützt die Menschenwürde seiner Bürger, indem er Dritten den Mund zuhält oder durch Stoppschilder dafür sorgt, dass sie im Internet nicht mehr gelesen, gesehen und gehört werden können.

Das entfernt sich weit vom eigentlichen Sinn und Zweck des Grundrechts auf Menschenwürde. Wie absurd das Ganze ist, zeigt sich an von der Leyens Aussage, die Bewahrung der Menschenwürde begrenze Demokratie und Meinungsfreiheit auf das “richtige Maß”. So werden aus rechtsstaatlichen Grundelementen, die sich bedingen und ergänzen, Gegensätze.

Höchst lesenswert.

Update: Adrian Lang setzt sich mit dem Text hingegen eher kritisch auseinander.



Startschuss für das Stoppschild
19. Juni 2009, 08:02
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Man kann es ein bisschen zynisch finden: Gerade widersetzt sich im Iran eine junge, digital sozialisierte Generation gegen die staatliche Repression. Informationen über die Oppositionsbewegung werden trotz strenger Medienkontrolle verbreitet. Klassische Medien verlassen sich darauf, tagesschau.de verbreitet Tweets weiter, selbst das Springer-Blättchen B.Z. erklärt seinen Lesern begeistert, wie man sich bei Twitter anmeldet. Und ausgerechnet jetzt beschließt der Bundestag den Einstieg in eine Zensurinfrastruktur, ähnlich der, mit der iranische Oppositionelle gerade zu kämpfen haben. Sicher, in Deutschland sind diese Maßnahmen auf ein richtiges und hehres Ziel beschränkt. Dass die hierzu gewählten Mittel falsch und daher mitnichten durch den Zweck geheiligt sind, wurde oft genug wiederholt. Bis auf ein paar Ausnahmen haben alle Argumente und zigtausende Unterschriften nichts bewirkt. Immerhin, ein bisher nicht in Erscheinung getretener Internet-Beirat der SPD hat sich kurz auf die Hinterbeine gestellt.

Die paar kosmetischen Korrekturen, die auf den letzten Metern noch erfolgt sind, schreiben sich in der gestrigen Lesung im Bundestag sowohl Union als auch SPD auf die Fahnen. Auch sonst läuft alles wie erwartet: Die Opposition argumentiert vielfältig und deutlich gegen den Gesetzentwurf. Die SPD feiert ihren internen Kindergarten, Martin Dörmann verweigert seinem Fraktionskollegen Tauss das Wort. Und die CDU lässt eine euphorisierte Michaela Noll fragen, warum man denn ständig „nur über Risiken und Nebenwirkungen diskutiere“. Ja, verdammt, weil sorgfältige Abwägung Job der Parlamentarier ist, damit nicht schon wieder ein Gesetz vor lauter Nebenwirkungen auf der verfassungsrechtlichen Intensivstation kollabiert!

Ein vorhersehbarer Winkelzug ist auch eingetreten: Die vertraglichen Regelungen, die Ministerin von der Leyen erst im April in einer Hauruck-Aktion mit einigen Providern geschlossen hat, werden nun als Argument für eine gesetzliche Regelung ins Feld geführt. Dörmann nennt sie jetzt „Realitäten, die man zur Kenntnis nehmen muss.“ Viel schlimmer noch: Die Verabschiedung des Gesetzes würde den Kritikern nun endlich Einspruchsrechte einräumen, die sie bei den privatwirtschaflichen Verträgen nicht hätten. Diese schräge Argumentation gibt es auch nochmal schriftlich von ihm.

Frau von der Leyen, die Initiatorin der ganzen Angelegenheit, gab sich leider nicht die Ehre, sie schickte nur einen Stellvertreter. Womit sie Renate Gradistanac (SPD) in Verwirrung stürzte: Sie musste in ihrer vorbereiteten Rede in Echtzeit „Frau Ministerin“ durch „Herr Staatssekretär“ ersetzen. Nicht so einfach. Gute Nacht.



Zurückzensurwordpressplugin
16. Juni 2009, 16:58
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Es gab ja schon die Aktion „Überwach!„, die Zugriffe von Ministerien und Fraktionen protokollierte, sowie „Politiker-Stopp„, die das Ausdrucken von Internetseiten verhinderte. Beide waren ein technisch-humorvoller Protest gegen die rechtlichen Einschnitte in die freie und unbeobachtete Kommunikation der letzten Zeit.

Pünktlich zum neuen Gesetzesentwurf der großen Koalition zu Internetsperren gibt es nun „Zensiert zurück„, ein WordPress-Plugin, das Politiker aus dem eigenen Blog aussperrt und stattdessen ein frei wählbares Stopp-Bild anzeigt.

Wie Kommentatoren schon anmerkten ist es sicherlich nicht besonders klug, jene paar Politiker, die in Blogs recherchieren, auch noch auszusperren. Als kleiner satirischer Hinweis funktioniert das Plugin aber allemal.



China dämmt PCs kaputt

Dass das Internet in China stark zensiert wird, ist bekannt. Die Maßnahmen, die allgemein ironisch als Great Firewall of China genannt werden, finden auf Seiten der Internetprovider statt. Mit verschiedenen Methoden wird verhindert, dass unerwünschte Webseiten an den Benutzer ausgeliefert werden.

Ab Juli möchte die chinesische Regierung ihren Einfluss aber auch am anderen Ende der Leitungen ausbauen: direkt auf dem Rechner des Benutzers. Alle PC-Hersteller werden verpflichtet, eine Filtersoftware namens „Green Dam – Youth Escort“ mitzuliefern. Sie blockiert mit Hilfe einer Blacklist bestimmte Seiten, Begriffe und automatisch analysierte Bilder, das offizielle Ziel ist hierbei ein jugendfreies Internet.

Dieser Weg scheint im Vergleich zum bereits existierenden Zensursystem geradezu liberal, kann der Nutzer doch selbst entscheiden, ob er die Software installiert oder nicht. Man ist allerdings geneigt, eine Hintertür zu befürchten, mit dem Staatsorgane Zugriff auf den Computer bekommen (a.k.a Bundestrojaner).

Die Wirklichkeit sieht noch schlimmer aus: Der „Green Dam“ ist so schlecht programmiert, dass er auf dem Computer riesige Sicherheitslöcher öffnet. Das hat jedenfalls die University of Michigan bereits nach ein paar Stunden Analyse festgestellt:

We have discovered remotely-exploitable vulnerabilities in Green Dam, the censorship software reportedly mandated by the Chinese government. Any web site a Green Dam user visits can take control of the PC.

Lokal installierte Filtersoftware könnte ja tatsächlich die Antwort für besorgte Eltern sein, die Medienerziehung gern ein Stück weit an Software delegieren möchten. „Green Dam“, das als staatliches Pflichtprogramm daherkommt, scheint eher gefährlich.

(in Deutschland läuft es mit „JusProg“ auch nicht viel besser)

via fefe



Im Sinne aller ehrlichen Comedians muss der perversen und komplizierten Satire der Kampf angesagt werden
15. Mai 2009, 11:57
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pifo_gesperrt_illustration

Als das Thema Internetsperren ernst wurde, hat der pantoffelpunk-Blog eine witzige Satireseite ins Netz gestellt. Im Design des Innenministeriums verkündete sie: „Die Seite, die sie aufrufen wollen, ist gesperrt.“ Eine beliebige URL konnte übergeben werden und wurde in die Sperrmeldung integriert. Der kleine Spaß machte schnell die Runde, man konnte sich gegenseitig einen Schreck einjagen, darüber, dass die liebste Politik-/Hacker-/Porno-/Drogen-/Chemie-Seite gesperrt wäre.

Aus dem kurzen Schrecken wurde sofort ein anerkennendes Schmunzeln. Wurde man doch als „Sehr geehrter Gefährder, sehr geehrte Gefährderin“ angesprochen, ein Werbebanner für den Waffenhändler Karl-Heinz Schreiber gezeigt, sowie weitere kleine Seitenhiebe ausgeteilt.

In einem lesenswerten Artikel beschreibt pantoffelpunk nun, wie das Bundesverwaltungsamt (das zum Geschäftsbereich des Innenministeriums gehört) im Handumdrehen seinen Webhoster die Domain kündigen ließ, ohne dass er benachrichtigt wurde und ohne dass auch nur ein einziges Wort über das Thema Satire=Kunst=frei gewechselt wurde. Oder gar ein Gerichtsbeschluss im Spiel war.

Und es bleibt die Frage: Wenn das BMI schon eine kleine Satire wegen Nachahmung der Internetseiten des Bundesministerium des Innern mit einem simplen Brief vom Netz nehmen kann – warum brauchen wir dann für die Beseitigung das Verstecken eindeutig krimineller und verabscheuenswerter Kinderpornografie ein ausgewachsenes Zensursystem?



Gruselige Dilettanten bei Netzsperren am Werk
25. März 2009, 16:29
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Frau von der Leyen versucht ja gerade, ein Internetzensursystem „im Kampf gegen Kinderpornografie“ in Deutschland durchzudrücken. Im Zentrum stehen dabei schwarze Listen, auf denen die illegalen Seiten geführt werden, die die Internetprovider dann ihren Kunden nicht mehr anzeigen sollen. Dieses System lobt die Ministerin, in „den skandinavischen Ländern“ würde es funktionieren.

Man sieht ja, wie gut es funktioniert: Im vergangenen Jahr wurde in Finnland die Website des W3C gesperrt, dem wichtigen World Wide Web Consortium, das für Internet-Standards zuständig und jeglicher Pornographie gänzlich unverdächtig ist. Dass es dennoch auf der Sperrliste landete, zeigt, wie willkürlich und intransparent dieses System ist.

Dieser und weitere ähnliche Fälle werden von Bürgerrechtlern natürlich gern als Argument gegen die Errichtung eines solchen Zensursystems gebraucht. Es gibt nur einen Haken: Die Sperrlisten sind streng geheim. Zurecht, denn sonst wären sie ein excellenter Reiseführer zu den unerwünschten Inhalten. Nur, wie will man gegen das System argumentieren, wenn man seine Schwächen nicht veröffentlichen und analysieren darf?

Hier hilft die anonyme Plattform Wikileaks. Sie bietet „Whistleblowern“ aus aller Welt Gelegenheit, brisante interne Dokumente an Presse und Öffentlichkeit zu bringen, ohne Jobverlust oder gar Strafverfolgung zu riskieren. Auf Wikileaks wurden Sperrlisten aus mehreren Ländern veröffentlicht. Und ihre Analyse ergab häufig brisantes: Nur ein geringer Teil der blockierten Seiten hat tatsächlich mit Kinderpornografie zu tun. Davon wird wiederum ein großer Teil von Deutschland und anderen europäischen Ländern aus verbreitet, wäre also für Strafverfolger greifbar. Die Veröffentlichung der geheimen Listen hat den Kritikern von Netzsperren starke Argumente geliefert.

Gestern abend wurden von der deutschen Polizei die Wohnungen des Inhabers der Adresse „wikileaks.de“ durchsucht. Unter dieser Domain ist die Plattform in Deutschland erreichbar. Der Vorwurf: Verbreitung von pornografischem Material. Schließlich sind über seine Domain ja die Listen verfügbar, die wiederum auf die unerwünschten Seiten verweisen. Die Durchsuchung erfolgte wegen „Gefahr im Verzug“ offenbar ohne richterliche Genehmigung.

Geht der Dilettantismus jetzt noch ein halbes Jahr bis zur Wahl so weiter?

(ChildCare zeigt stichprobenhaft, was möglich ist, wenn man an der richtigen Stelle ansetzt.)

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